Seit Juli 2021 steht die girocard auch für Zahlungen im deutschen E-Commerce zur Verfügung, wenn auch zunächst nur für eine eingeschränkte Konsumentengruppe. Ob und in welchem Umfang sich die neue Zahlart in der Breite durchsetzen wird, hängt von verschiedenen Stakeholdern ab – nicht zuletzt auch von den Händlern. Jedoch können Händler mit der Entscheidung, die girocard im eigenen Onlineshop anzubieten, eigentlich nur gewinnen.

Lange spekulierte die deutsche E-Commerce- und Payment-Branche über den Zeitpunkt, zu dem die girocard „online“ geht. Als Erste ins Ziel gelangt sind im Juli 2021 allerdings nicht die E-Paymentlösungen der deutschen Kreditwirtschaft, sondern Apple Pay in Kooperation mit der Sparkassen Finanzgruppe. Ab sofort können alle Sparkassenkunden, die gleichzeitig auch Apple-User sind, über ihre girocard im Apple Pay Wallet auch in Onlineshops und Apps bezahlen.

Wie ist es um die Erfolgsaussichten der „E-Commerce“-girocard bestellt? Stellt man lediglich die Frage nach dem Verbraucher-Mehrwert, mag die Erkenntnis auf den ersten Blick ernüchternd ausfallen. Denn faktisch kann die onlinefähige girocard als Zahlmittel innerhalb eines E-Wallets nichts, was Kredit- und Debitkarten nicht auch könnten.

Jedoch muss ergänzt werden: Sie kann auch nicht weniger! Und: Aus Sicht des Onlinehandels und mit Blick auf aktuelle Entwicklungen im europäischen Markt für Bezahlkarten gestaltet sich der Gesamtnutzen der Lösung durchaus positiv.

Hohe Marktabdeckung

Die girocard ist mit über 100 Millionen ausgegebenen Karten die am meisten verbreitete Bezahlkarte Deutschlands und befindet sich im Besitz von ca. 95 Prozent aller 16- bis 69-jährigen Deutschen.1 Dem gegenüber stehen etwa 43 Millionen Kredit- und Debitkarten von Visa, Mastercard & Co.2 Hieraus resultiert ein beträchtlicher Kreis von Konsumenten, die sehr wohl über eine girocard verfügen, jedoch über keine weitere Debit- bzw. Kreditkarte. Natürlich bleibt festzuhalten: Nur ein geringer Teil aller girocards ist derzeit tatsächlich „E-Commerce-enabled“ (Sparkassen-Karten im Besitz von Apple-Usern). Um das vollständige Potenzial zu heben, ist es daher unerlässlich, dass weitere kartenausgebende Banken eine entsprechende Kooperation mit Apple Pay und / oder anderen Wallet-Anbietern eingehen.

Günstigere Option im Vergleich zu Wallet-Zahlungen via Kredit- oder Debitkarte

Stationäre Händler, die girocards in Ladengeschäften akzeptieren, wissen die girocard insbesondere aufgrund der deutlich geringeren Transaktionskosten im Vergleich zu den gängigen Debit- und Kreditkartenmarken zu schätzen. Dieser Kostenvorteil bleibt – trotz einer zusätzlichen Involvierung von Apple Pay – deutlich spürbar auch im E-Commerce erhalten. Natürlich variieren die konkreten Kostenvorteile sehr stark in Abhängigkeit des durch den Händler eingesetzten Payment Service Providers und Acquirers, sowie von der Größe und Art des Onlinegeschäfts. Für einen mittelgroßen Onlinehändler, der innerhalb Deutschlands unproblematische physische Güter verkauft, dürfte die Ersparnis bei einem Warenkorbwert von 100 € jedoch mindestens bei 0,50 € liegen.

Einfache technische Anbindung für Händler

Strenggenommen kann die girocard im E-Commerce nicht als eigenständiges Bezahlverfahren gelten: Durch ihre Einbindung in Apple Pay erfüllt sie die Rolle eines „Settlement“-Zahlmittels, mit welchem Minus-Kontostände innerhalb des Wallets automatisch ausgeglichen werden. Grundsätzlich ist der Einsatz der girocard als „Settlement“-Zahlmittel in einem E-Wallet aus Usability-Sicht derzeit die einzig sinnvolle Option, um die girocard für E-Commerce-Zahlungen zu ertüchtigen.

Für Händler bedeutet dies, dass sich alle technischen Integrationsaufwände nur auf Apple Pay beziehen. Für einen Händler, der Apple Pay bereits über eine von seinem Payment Service Provider bereitgestellte Schnittstelle an seinem Onlineshop angebunden hat, fallen keine zusätzlichen Programmiertätigkeiten an: Hier werden lediglich Vertragsergänzungen nötig. Voraussetzung bleibt jedoch, dass der Payment Service Provider die Akzeptanz und Abwicklung von girocard-Zahlungen im E-Commerce unterstützt.

Die girocard im E-Commerce nutzt die bewährte User Experience von E-Wallets

Das Bezahlen beim Onlineshopping über gängige E-Wallets wie PayPal, Apple Pay oder Google Pay wird immer schneller und einfacher. Neben einer schlanken Benutzerführung ermöglichen alle genannten Anbieter die Expresskauf-Funktionalität: Kunden- und Lieferdaten müssen nicht länger im Checkout-Prozess abgefragt werden, sondern werden direkt aus dem Wallet heraus abgerufen und an den Shop übermittelt. In Verbindung mit biometrischen Authentisierungsverfahren wie Gesichtserkennung oder Fingerabdruck können Käufe somit in nur wenigen Sekunden und teilweise ohne jegliche Eingabe von Daten abgeschlossen werden.

Die Kombination girocard / Apple Pay erfüllt ein besonderes Bedürfnis deutscher Konsumenten

Unabhängig von dem generellen Bedeutungszuwachs mobilefähiger Wallet-Systeme im deutschen Handel kann das Duo Apple Pay und girocard besonders in puncto Datenschutz bei Konsumenten überzeugen. Laut seiner Nutzungsbestimmungen speichert Apple Pay keine personenbezogenen Transaktionsdaten.3 Bei der girocard ist zumindest der von Nutzern wahrgenommene Schutz persönlicher Daten deutlich höher als bei Kreditkartenzahlungen über amerikanische Kartennetzwerke.4 Im Vergleich zu anderen bedeutenden US-amerikanischen Wallet-Systemen, bei denen die Verwertung der Kundendaten Teil des Geschäftsmodells ist, entspricht ein über Apple Pay / girocard getätigter Onlinekauf damit eher dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis vieler deutscher Verbraucher.

Checkout im Apple Pay Wallet


Beispiel-Screenshot:
Checkout in einem Onlineshop über Apple Pay.

Die girocard als Vorläufer eines gesamteuropäischen Kartennetzwerkes

In Hinblick auf die Aktivitäten der European Payments Initiative (EPI) betrachtet mancher Branchenkenner die girocard als Auslaufmodell. Die EPI kündigte unlängst an, bis 2025 ein gesamteuropäisches Kartennetzwerk (Scheme) zu schaffen, welches alle bis dato bestehenden nationalen Debitkarten-Marken innerhalb Europas in einer einheitlichen, neuen Karte aufgehen lässt. So ist es wahrscheinlich, dass im Falle eines Erfolgs des Projektes die Marke „girocard“ nach einer gewissen Übergangszeit zum Ende des Jahrzehnts verschwinden wird.

Um jedoch eine weitreichende Akzeptanz der neuen „Europa-Karte“ unter den EU-Bürgern zu erzielen, kann davon ausgegangen werden, dass EPI für die auslaufenden nationalen Karten-Schemes eine technische Aufwärtskompatibilität zu der neuen Karte gewährleistet. Dies dürfte insbesondere für die girocard als das (nach Anzahl der ausgegebenen Karten) größte Scheme innerhalb Europas der Fall sein.

Für Onlinehändler, die die girocard-Zahlung in Verbund mit Apple Pay – oder künftig auch mit anderen Wallet-Systemen – anbieten, würde dies zum einen bedeuten, dass kein neuer Integrationsaufwand mit der Einführung der neuen Karte anfällt. Zum anderen würde der potenzielle Nutzerkreis der Lösung von deutschen girocard-Inhabern auf all jene Menschen innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes erweitert, die die neue europäische Bezahlkarte verwenden.

Der Erfolg der E-Commerce-girocard hängt auch vom Verhalten der Händler ab

Wie die meisten Lösungen im E-Commerce-Payment ist auch die E-Wallet-basierte girocard auf unterschiedliche Akteure angewiesen, die den Markterfolg der Lösung mit beeinflussen. Die Rolle der kartenausgebenden Banken und anderer Wallet-Anbieter beim Ausbau der Marktabdeckung wurde bereits angesprochen. Hinzu kommen die Payment Service Provider, welche als Schnittstelle zu den Onlinehändlern die Anbindung der Lösung unterstützen müssen.

Ob sich die girocard in der Breite am Online-Markt durchsetzt, hängt auch davon ab, wie viele Händler das Bezahlverfahren für Kunden anbieten werden. Hier sind insbesondere die großen Player des deutschen E-Commerce gefragt, die durch eine frühe Integration die Aufmerksamkeit der Käufer auf die neue Bezahloption lenken können und somit einen Pull-Effekt erzeugen.

Hohe Chancen bei geringen Risiken

Mit der Entscheidung, die onlinefähige girocard (zunächst über Apple Pay, später auch über andere E-Wallet-Systeme) im eigenen Onlineshop anzubieten, können Händler eigentlich nur gewinnen. Ein überschaubarer Integrationsaufwand, deutliche Kostenvorteile im Vergleich zu anderen Kartennetzwerken, sowie der Zugang zu neuen Kundenzielgruppen sind die unmittelbaren Vorteile der Lösung.

In Hinblick auf die mittel- bis langfristige Entwicklung im Europäischen Zahlungsverkehr verdient jedoch auch noch ein weiterer Aspekt Berücksichtigung: Die oben genannte European Payments Initiative (EPI) darf als der bislang ambitionierteste und ernsthafteste Versuch europäischer Finanzakteure gelten, mit einem neuen europaweiten Kartennetzwerk ein Gegengewicht zu den amerikanischen Anbietern zu etablieren.

Warum sich Händler hierfür interessieren sollten? Die Preise, die amerikanische Payment-Anbieter für ihre Zahlungsleistungen bei Händlern abrufen können, resultieren unmittelbar aus ihrer Marktmacht. Ein europäisches Kredit- und Debitkarten-Scheme, das auf breite Akzeptanz in der europäischen Bevölkerung stößt, wäre in der Lage, diese Macht – und damit auch die Kosten der elektronischen Zahlungsabwicklung – zu begrenzen. Gelingt es, den deutschen Verbrauchern aufzuzeigen, dass sich die girocard eben auch im E-Commerce problemlos einsetzen lässt, ist ein erster wichtiger Schritt bereits getan.

Interesse geweckt?

Sie haben Fragen? Treten Sie mit uns in Kontakt. Unsere Payment-Experten beraten Sie gern unverbindlich zur Akzeptanz von girocard-Zahlungen in Ihrem Onlineshop und in Ihren stationären Geschäften.


Referenzen:

1 Händler-Information auf der Website der EURO Kartensysteme GmbH, Abruf am 28.07.2021

2 Artikel Girocard gegen den Rest der Welt auf dem Branchenportal finanz-szene.de, Abruf am 29.07.2021

3 Kundeninformationen zu Sicherheit und Datenschutz auf der Website von Apple Deutschland, Abruf am 28.07.2021

4 Studie der deutschen Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2017, Abruf am 28.07.2021